Im November und Dezember 2012 hatte ich sehr viel mit meiner Zeitreise-Geschichte zu tun. Deshalb ruhte meine Rubrik „Bücher und DVDs, die liebe“. Doch jetzt, mit dem neuen Jahr, ist die erste Fassung meine Geschichte abgeschlossen und ich komme auch endlich wieder dazu, mich meiner Website mehr zu widmen.
Bei einem Kurz-Urlaub in Bern im Herbst letzten Jahres stieß ich ganz in der Nähe meines Hotels auf den „Chinderbuechlade“. Er ist in der Zytgloggengasse gelegen, in einer der alten wunderschönen Arkaden, die sich kilometerweit durch die Altstadt erstrecken. Der Laden selbst ist auch ein Paradies. Über zwei Etagen bietet er eine große, gut sortierte Auswahl an Büchern für ein junges Publikum – vom Bilderbuch bis hin zum Jugendbuch. Nach langem Herumstöbern habe ich mich für ein Bilderbuch von Hans Traxler entschieden „Franz, der Junge, der ein Murmeltier sein wollte“.
Franz, der Junge, der ein Murmeltier sein wollte
Ich mag Traxlers klare, holzschnitt- und fast ein bisschen cartoon-artige Bilder. Franz freundet sich mit dem Murmeltier Albert an, auch wenn Albert sich nicht von ihm berühren lässt, denn: „Man kann ja nie wissen, was die Menschen vorhaben.“ Als der Winter anbricht und es heftig zu schneien beginnt, kann Franz Alberts Murmeltierbau nicht mehr finden. Sein Vater erklärt ihm, dass Albert seinen Winterschlaf macht. Franz versucht es seinem Freund gleich zu tun. Er baut sich mit Bettdecken eine Höhle auf dem Dachboden, fastet und versucht, nur dreimal in der Minute Luft zu holen. Was ihm nicht so recht gelingt … Bald kommt ihm der schreckliche Verdacht, dass ihn sein Vater angelogen hat und es Albert in Wahrheit schlecht geht. Deshalb macht er sich mitten in der Winternacht auf zum Bau seines Freundes. Was für Franz beinahe schlimme Folgen gehabt hätte, denn er wird von seinem Vater und der Suchmannschaft nur knapp vor dem Erfrieren gerettet und holt sich eine schlimme Lungenentzündung. Dann im Frühjahr, sobald er wieder gesund ist, macht er sich auf den Weg zu Albert. Sein Freund ist abgemagert wie er selbst , aber wohlauf. Einträchtig kauen die beiden ihre Karotte. „Franz, der Junge, der ein Murmeltier sein wollte“ ist, wie ich finde, eine mit viel Humor erzählte, schöne Geschichte über eine besondere Freundschaft.
„Franz, der Junge, der ein Murmeltier sein wollte“ ist im Hanser Verlag erschienen.
The Franchise Affair (Die verfolgte Unschuld)
Der schottischen Kriminal-Schriftstellerin Josephine Tey bin ich zum ersten Mal vor Jahren in der Frankfurter Krimi-Buchhandlung „Die Wendeltreppe“ begegnet. Damals, Mitte der 90er, stellte das Team der „Wendeltreppe“ an einem Abend im Monat Krimis vor, die ihnen besonders gut gefielen (ich hoffe, sie tun dies immer noch). Der damalige Buch-Tipp war „Alibi für einen König“ von Josephine Tey. Inspektor Alan Grant von Scotland Yard ist ans Krankenbett gefesselt, langweilt sich und beschäftigt sich deshalb mit dem ziemlich übel beleumdeten König Richard III. Dabei findet er heraus, dass Richard III. gar kein Monster war, sondern erst die Propaganda der Tudors (und Shakespeares) ihn zu einem solchen werden ließ.
Ebenso ironisch und witzig geschrieben ist „The Franchise Affair“, auf das ich im Herbst bei einem Urlaub in den Cotswolds stieß. (Auf deutsch bei DuMont unter dem Titel „Verfolgte Unschuld“ erschienen, leider nur noch antiquarisch erhältlich.) Rechtsanwalt Robert Blair führt ein ruhiges, beschauliches und ein bisschen langweiliges Leben auf dem Land, als er von zwei Frauen um Beistand gebeten wird. Eine Schülerin beschuldigt sie, von ihnen entführt und misshandelt worden zu sein. Blair glaubt den Frauen und stellt auf eigene Faust Ermittlungen an, was sein Leben gehörig umkrempeln wird. Obwohl Ende der 40er Jahre geschrieben ist das Buch – was die Mechanismen der Massen-Presse angeht – erstaunlich modern.
„The Franchise Affair“ ist bei Arrow erschienen, die Übersetzung „Die verfolgte Unschuld“ in der Dumont Kriminalbibliothek.
Jane Austen bittet zum Tee
Viel Interessantes aus Jane Austens Leben und außerdem einen informativen kulturhistorischen Überblick über die Sitte des Teetrinkens bietet das schön gestaltete Buch „Jane Austen bittet zum Tee“. Mir war z.B. ganz neu, dass der Tee in Großbritannien bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts erst nach dem Dinner eingenommen wurde. Ganz reizend fand ich dieses Zitat aus „Die schöne Cassandra“, von Jane Austen verfasst, als sie sechs Jahre alt war: „Daraufhin begab sie sich zu einem Pastetenbäcker, wo sie sechs Portionen Eis verschlang, sich weigerte, dafür zu bezahlen, den Pastetenbäcker zu Boden schlug und davonging.“
„Jane Austen bittet zum Tee“ ist im Gerstenberg Verlag erschienen
The Vintage Tea Party
Das Buch „The Vintage Tea Party“ ist wunderbar britisch und bietet orignelle und schräge Deko-Ideen für Tee-Partys. Außerdem enthält es jede Menge Rezepte, die sich beim Lesen sehr lecker anhören (ich habe das Buch erst vor zwei Tagen geschenkt bekommen und bin noch nicht dazu gekommen, welche auszuprobieren). Jedenfalls weiß ich seit der Lektüre, dass es so etwas wie „Egg Cobbler“ gibt und was sie sind: kleine, etwa Eierbecher-große Förmchen mit einem Deckel. Da hinein gibt man Schinken, ein bisschen Lachs oder Forelle, schlägt das Ei darauf und stellt den „Egg Cobbler“ mit geschlossenem Deckel in ein siedendes Wasserbad. Fertig ist das „verhätschelte“ (to coddle) Ei.
„The Vintage Tea Party“ ist bei Mitchell Beazley und bei Dumont erschienen
84, Charing Cross Road
Das erste Mal bin ich auf “84, Charing Cross Road” in einem der “Reader´s Digest“-Auswahlbände gestoßen, die sich in großer Zahl bei meinen Eltern stapelten. Auch wenn es sich nur um eine gekürzte Fassung handelte, war ich sofort verzaubert von Helene Hanffs Buch. Eigentlich handelt es sich bei „84, Charing Cross Road“ nur um den Briefwechsel, den sie, eine amerikanische Autorin, in der Nachkriegszeit mit den Mitarbeitern eines Londoner Antiquariats führte. Und doch geht es dabei um so viel mehr. Um die leidenschaftliche Liebe, die Helene Hanff und der Buchhändler Frank Doel miteinander teilen und die aus jedem der Briefe spricht. Um Witz und Schlagfertigkeit, Wärme und Mitmenschlichkeit. Denn Helene Hanff beginnt sich auch für die Menschen hinter den Büchern zu interessieren. Als sie feststellt, wie knapp die Lebensmittel im London des Jahres 1950 sind, beginnt sie den Angestellten des Antiquariats Lebensmittelpakete zu schicken. Eine lebenslange Freundschaft entwickelt sich. Als ich Jahre später entdeckte, dass auch eine vollständige Ausgabe auf Deutsch erschienen ist, habe ich mir das Buch sofort gekauft. Beim Lesen stellte sich bei mir sofort wieder ein Gefühl von Freude ein. Wobei ich es sehr anrührend finde, dass Helene Hanff, die eigentlich für den Broadway und auch Drehbücher schrieb, ausgerechnet mit einer Sammlung von Briefen berühmt wurde, die sie ganz absichtslos – einfach voller Herzlichkeit und Anteilnahme – verfasste.
„84, Charing Cross Road“ ist bei btb erschienen